Judenverfolgung in Fürth

Die Bilanz der Nazi-Herrschaft und ihrer Helfer aus allen Bevölkerungsgruppen ist erschreckend:

1.068 Fürther*innen jüdischer Herkunft wurden ermordet. (Fürther Nachrichten vom 3. Juni 2009)

342 Häuser und Grundstücke wurden jüdischen Besitzer*innen geraubt. Bekannt ist bisher der Preis von 146 Grundstücken. Er betrug 6.318.780,66 RM, nach heutigem Wert rund 30 Mio. Euro. Mindestens 191 Betriebe, Geschäfte oder Kanzleien wurden enteignet oder liquidiert. (Zusammenstellung durch Siegfried Imholz)

Im zeitlichen Ablauf gestaltete sich die fortschreitende Entrechtung, Enteignung und Verfolgung der Fürther Jüdinnen und Juden im Einzelnen wie folgt:

1.1.1935Einführung der DEGO-Abgabe: Durch den Verkauf der Guthaben der Sperrkonten konnten Auswanderer einen kleinen Teil ihres Vermögens ins Ausland mitnehmen. Für den Umtausch verlangt die DEGO horrende Gebühren: Die Höhe der Abgabe (bezogen auf die ins Ausland zu transferierenden Werte) betrug: Januar 1934: 20%, August 1934: 65% Oktober 1936: 81%, Juni 1938: 90%, September 1939: 96%. (Friedenberger S. 129 ff.).
15.9.1935Reichsbürgergesetz und das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, die sogenannten Nürnberger Rassengesetze, werden verabschiedet. (Walk S.127 Nr. 636 u. 637 RGBl. I S.1146).
1.1.1937§ 37a des Devisengesetzes: Die Devisenstellen werden befugt, Verfügungsbeschränkungen zu erlassen. Damit ist die sofortige Sicherungsanordnung über das Vermögen der Juden, die die Auswanderung beabsichtigen, möglich“. (Friedenberger S. 129 ff., Füllberg-Stollberg, Claus S.34).
5.3.1938Erhebung einer Auswanderabgabe von 20% der Reichsfluchtsteuer. Sie wird von allen Auswanderern erhoben, deren Vermögen 1.000 RM übersteigt. („Jüdisches Nachrichtenblatt“ vom 5.03.1938).
26.4.1938Juden müssen bis Ende Juli ihr Vermögen deklarieren, wenn der Wert 5.000 RM übersteigt. (Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26. April 1938 (RGBl I 1938 S.414).
13.5.1938Runderlass des Reichswirtschafts-ministeriums (RWM) über die Mitnahme von Umzugsgut. Im Mai 1938 wird angeordnet, dass das Umzugsgut rechtzeitig vor der Verpackung, die im Beisein von Zollbeamten stattfinden soll, der Devisenstelle zu melden ist. Gegenstände aus Edelmetallen, Schmuck und Edelsteine durften nicht mitgenommen werden. Ausnahme waren Trauringe, Armbanduhren und 1 Besteck pro Person, die den Wert von 100 RM nicht überstiegen. (Friedenberger S. 129 ff, RdErl. des RWM vom 17.04.1939).
14.6.1938Jüdische Gewerbebetriebe müssen gekennzeichnet werden.
28.10.1938Abschiebung der polnischen Juden. 54 werden aus Fürth abgeschoben. (Memorbuch).
9.11.1938Reichspogromnacht. 132 Männer werden verhaftet, etliche nach Dachau gebracht. 5 Vorsteher der jüdischen Gemeinde werden in ein Notariatsbüro verschleppt. Sie müssen den gesamten Besitz der jüdischen Gemeinde für 100 RM an die Stadt verkaufen. (Mümmler S.148 ff., Ophir Baruch/ Wiesemann, Falk „Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945, München 1979).
12.11.1938Verordnung über eine Sühneleistung der Juden. Sie sollen die Schäden der Pogromnacht mit 1 Mrd. RM begleichen. Juden deutscher Staatsangehörigkeit (auch emigrierte) müssen 20 % ihres am 26.04.1938 angemeldeten Vermögens über 5000,- RM an das Finanzamt abführen. (RGBl. I, S.1638f).
12.11.1938Mit der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben wird Juden vom 1.01.1939 der Betrieb von Handwerks- oder Gewerbebetrieben jeder Art verboten. Unternehmen und Betriebe müssen innerhalb eines Monates verkauft werden. (RGBl./1938 S.1579 ff.).
19.11.1938Fürther Einzelhandelsgeschäfte einschließlich Bäckereien bringen an ihren Läden rote Plakate an „Zutritt für Juden verboten“. (Tagebuch Lotter).
1.12.1938Die Gestapo erlässt ein Zuzugsverbot für Juden nach Nürnberg und Fürth.
3.12.1938Mit der 2. VO über den Einsatz des jüdischen Vermögens kann der Verkauf des Vermögens innerhalb eines Monats angeordnet werden. Die Kaufpreise werden auf Sperrkonten eingezahlt, über das die ehemaligen Besitzer nicht verfügen können. Verstreicht die Frist, werden Treuhänder mit einer Veräußerungsvollmacht eingesetzt. (Reichsgesetzblatt 1938 S.1709,Dreßen S.28).
22.11.1939Der NSDAP-Stadtrat Sandreuter meldet der Regierung von Mittelfranken „Erfolge“ bei der Wohnungsräumung: “… Es wurden durch die Wohnungsfürsorge 202 Wohnungen (der Juden) erfasst und geräumt und an arische Wohnungssuchende vergeben…“ (StAF 6/1350 Mietverhältnisse mit Juden)
23.10.1941Verbot der Auswanderung für Juden. (Erlass Reichsführer SS H. Himmler).
13.11.1941Juden müssen bis 21.11.1941 folgende Gegenstände anzumelden und abliefern: Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Vervielfältigungsapparate, Fahrräder, Foto-, Filmetc. Apparate und Ferngläser. (Verfügung des RSHA, in Walk S. 355 Nr. 264)
25.11.1941Verordnung zum Reichsbürgergesetz. Im Ausland lebenden Juden wird die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Das Vermögen der Juden, die sich im Ausland aufhalten, wird enteignet.
27.11.1941Erste Deportation aus Fürth nach Riga (94 Personen). Die 94 Opfer haben zur Finanzierung des Transports auf ein bei der Bayerischen Staatsbank Fürth errichtetes Konto „W“ insgesamt RM 17.560.- eingezahlt. (Grete Ballin, „Geschichte der Juden in Fürth“, 1943).
15.1.1942Alle der Kennzeichnungspflicht unterliegenden Juden haben bis zum 15.01.1942 bei der Verwaltungsstelle Fürth die in ihrem Besitz befindlichen Pelz- und Wollsachen, Skier, Ski- und Bergschuhe abzuliefern. (Grete Ballin, „Geschichte der Juden in Fürth“, 1943, Mümmler S.219.).
24.3.1942Zweite Deportation aus Fürth nach Izbica (237 Personen, darunter 33 Kinder, die 8 Angestellten des Kinderheims Fürth, 10 Angestellte des Israelitischen Krankenhauses in Fürth und ein Hausmeister der Verwaltungsstelle). Die Opfer müssen den Tarnsport bezahlen Auf das Sonderkonto „W“ der bayerischen Staatsbank in Fürth werden 147.606,20 RM eingezahlt. (Grete Ballin, „Geschichte der Juden in Fürth“, Heinemann, Hugo „Geschichte der Juden in Fürth“ im Jüdischen Museum in Fürth.).
15.5.1942Juden wird das Halten von Haustieren verboten.
10.6.1942Die jüdische Bevölkerung muss auf Anordnung der Stadt Fürth alle entbehrlichen Haushaltsgeräte, Spinnstoffe, Wäsche und Kleidungsstücke abliefern. (Grete Ballin, „Geschichte der Juden in Fürth“, 1943).
10.9.1942Die Bewohner des jüdischen Altenheimes in der Julienstraße2 werden deportiert (147 aus Fürth, 137 davon älter als 63 Jahre).
31.3.1943In Fürth leben 87 oder 88 Juden.
18.6.1943Deportationen aus Fürth nach Theresienstadt und Auschwitz (43 Personen, davon 23 Auswärtige).
1.7.1943Verordnung zum Reichsbürgergesetz. Das Vermögen von Juden verfällt nach ihrem Tod automatisch dem Deutschen Reich.
17.1.1944Deportationen nach Theresienstadt (4 Personen)
18.4.1945Fürth wird den amerikanischen Truppen übergeben.
(Zusammenstellung von Siegfried Imholz)